Bildung für Nachhaltige Entwicklung in Schleswig-Holstein

HEUTE. GEMEINSAM. MORGEN.
MIT BILDUNG ZUKUNFT GESTALTEN!

Abschlusstagung am 12. Juli 2017 im Musiculum, Kiel
Veranstalter: Zukunft Bildung Schleswig-Holstein
Dokumentation der Veranstaltung als pdf:  > Abschlusstagung 24.07.2017.pdf

„Heute. Gemeinsam.Morgen. Mit Bildung Zukunft gestalten!“ Die Abschlusstagung zu diesem Projekt des ZBSH lockte viele Teilnehmende. Und brachte manche Idee für übermorgen.

Vortrag: Bildung für Nachhaltige Entwicklung – ein „Muss“ als Herausforderung und Chance

Vortrag von Prof. Ilka Parchmann, Vizepräsidentin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Professorin für Didaktik der Chemie am IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik

Die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung erfährt in diesen Zeiten zweifelsfrei eine Reihe von Gegenströmungen. Wenn Donald Trump und andere Politiker Klimaschutz ablehnen und mit der nationalen Brille agieren, brauchen wir Antworten darauf. Ganz sicher werden wir uns nicht in der Arbeit für nachhaltige Entwicklung und eine entsprechende Bildung zurückdrängen lassen. Die Akteure der verschiedenen Initiativen zur Förderung von Bildung für Nachhaltige Entwicklung sind mehr denn je gefordert, sie erhalten sicher aktuell verstärkt Aufmerksamkeit. Dafür gebührt Ihnen großer Dank!

Auch die Christian-Albrechts-Universität kann sehr dazu beitragen, dass dieses Thema auf lange Sicht präsent ist. In der Ausbildung von Lehrkräften haben wir die Möglichkeit, bei unseren Studierenden ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen und ihnen die nötigen Kompetenzen zu vermitteln. Wenn es in den Naturwissenschaften um Konzepte, Methoden und Bewertungen geht, sind immer auch Aspekte der Nachhaltigkeit betroffen, und wir sind schnell mitten drin in der BNE-Diskussion.

Ähnlich ist das bei der Kooperation mit Schulen, etwa durch Schülerlabore wie die Kieler Forschungswerkstatt. Dort bieten wir zum Beispiel im Ozean-Labor Einblicke in die Forschungsarbeit zu Meeren und Ozeanen. Junge Leute befassen sich mit dem Ozean als Lebensgrundlage und der Frage, wie eigentlich der Mensch damit interagiert. Die Botschaft dabei ist: Was wir tun, müssen wir so tun, dass man es auch morgen noch tun kann.

Immer wieder fällt bei diesen Kooperationen auf, dass die Universität deutlich interdisziplinärer als viele Schulen arbeitet. Dass die Biologie, die Theologie, die Ethik und andere Disziplinen sich mit ein und demselben Thema beschäftigen, ist an der CAU etabliert, an Schulen fällt dies aus verschiedenen Gründen oft noch schwer. Allein darin liegt schon eine große Herausforderung. Vor Herausforderungen stehen aber auch wir selber. So beobachten wir, dass Schülerinnen und Schüler es spannend finden, selber im Labor Untersuchungen vorzunehmen. Ihr Bild davon, wie breit das Tätigkeitsfeld von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist, erscheint aber oft sehr eingeschränkt.

Mithilfe verschiedener Medien ermöglichen wir Jugendlichen deshalb auch, ihr Handeln und ihre Ergebnisse mit echten Forschungsprozessen zu vergleichen. Daneben gibt es Veranstaltungen wie den Ozeantag, die Kinderuni oder Ausstellungen, zu denen immer viele Interessierte kommen. Nur ausnahmsweise führt das allein aber schon dazu, dass sich jemand anschließend weiter engagiert.

 

Foto Ilka Parchmann
Ilka Parchmann

Für Schulklassen haben wir vor diesem Hintergrund ein mehrstufiges Angebot organisiert. Dieses beginnt beim Schnuppertag, kann aber auch die Beteiligung am weltweiten Coastal Cleanup Day sein. Junge Leute werden damit zum Teil einer Initiative, die sich auf dem ganzen Globus für saubere Küsten einsetzt.

Ein vielversprechender Ansatz sind schließlich Citizen-Science-Projekte. Unter dem Motto „Dem Plastikmüll auf der Spur“ sammeln Jugendliche eigenhändig Material an den Stränden und Küsten. Die gewonnenen Daten werden dann tatsächlich wissenschaftlich ausgewertet, sodass die Schülerinnen und Schüler selbst Akteure der Forschung werden. Dahinter steckt natürlich auch die Hoffnung, dass Menschen, die solche Erfahrungen und solches Wissen gesammelt haben, sich daraufhin auch persönlich entsprechend verhalten und sich mit der Nachhaltigkeit ihres eigenen Tuns auseinandersetzen.

Zum Schluss noch ein paar Worte zu Ihrem Projekt „Heute. Gemeinsam. Morgen.“ Ich möchte ganz stark hervorheben, dass das, was Sie in den vergangenen zwei Jahren geleistet haben, hohe Anerkennung verdient!

> Vortrag Prof Parchmann.pdf

Präsentation der Projektergebnisse

Heike Hackmann (Vorstand ZBSH)

Das erste Jahr unseres Projekts „Heute.Gemeinsam.Morgen. Mit Bildung Zukunft gestalten!“ war davon geprägt, miteinander ins Gespräch zu kommen, mit möglichst vielen, die etwas zu Bildung für nachhaltige Entwicklung zu sagen haben, in Dialog zu treten. Auch bemühten wir uns, Aufmerksamkeit für uns und unser Anliegen zu wecken. Und nicht zuletzt ging es darum, die BNE-Strukturen in Schleswig-Holstein umfassend zu analysieren.

Ideen zur Umsetzung und Entwicklung zu entwerfen, das prägte das zweite Jahr. Dabei schälten sich eine Reihe von zentralen Fragestellungen heraus:

  • Welches gemeinsame Grundverständnis von BNE haben die Akteure?
  • Wo genau haben die Akteure (auch onlinebasierten) Unterstützungsbedarf?
  • Wie lässt sich ein Ausbau eines Systems der gegenseitigen Unterstützung der Akteure realisieren?
  • In welche Richtung sollten die Strukturen weiterentwickelt werden?

Genähert haben wir uns diesen Fragestellungen auf verschiedenen Wegen:

  •  An einer Online-Umfrage beteiligten sich 72 Interessierte, die einen umfangreichen Fragebogen ausfüllten.
  • Es wurden insgesamt fünf Fachgespräche geführt.
  • Workshops befassten sich unter anderem mit dem Thema Qualität in der BNE.
  • Es gab mehrere größere Veranstaltungen, gleich zum Auftakt, dann eine Zwischentagung im April 2016, eine Tagung zum Stand von BNE in Schleswig-Holstein im April 2017 und natürlich diese Abschlusstagung.

Die Ergebnisse:

  • Viele setzen sich sehr engagiert und sehr kompetent für Bildung für nachhaltige Entwicklung ein. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es ist immer noch die Minderheit.
  • Trotzdem sind wir in allen Bereichen auf interessierte Personen gestoßen, wenngleich die teilweise nur sehr vereinzelt anzutreffen waren.
  • Wir haben fünf Punkte definiert, die aus unserer Sicht die grundlegenden Anforderungen an BNE beschreiben:

1. Nachhaltige Entwicklung muss ein Leitmotiv in allen Bildungsbereichen sein.

2. BNE braucht breite gesellschaftliche Unterstützung und Kooperation.

3. BNE benötigt Erfahrungsräume und Zeit.

4. Stetige Weiterbildung der Akteure ist unabdingbar.

5. BNE-Prozesse bearbeiten Zukunftsthemen in ganzheitlicher, partizipativer Art und Weise.

Diese Punkte sind dann in der Folge tatsächlich auch weitgehend auf Zustimmung gestoßen.

Recht umfassend widmete sich das Projekt dem Thema Qualitätskriterien. Die sind teils durchaus schon vorhanden, was sich an Initiativen wie Zukunftsschule, Kita21 und dem NUN-Zertifizierungsverfahren für außerschulische Einrichtungen der BNE offenbart. In einer Synopse haben wir die jeweiligen Maßstäbe dieser Initiativen offengelegt und dabei viele übereinstimmende Kriterien festgestellt. Wobei zum Thema Kriterien zu sagen ist: Wenn sie aufgeschrieben sind, ist das ganz wichtig, aber nicht genug. Sie müssen auch angewendet werden.


Heike Hackmann, Vorstand ZBSH

Auch mit dem Thema Unterstützung haben wir uns intensiv auseinandergesetzt. Gewünscht wird von allen Seiten mehr systematische Unterstützung und Koordination.

Außerdem ist der Wunsch nach Transparenz groß, etwa um zu erfahren, wer wo was macht. Wichtig sind schließlich Regeln und Normen in der Bildungspolitik und entsprechende politische Strategien. Und nicht weniger wichtig ist eine Landesstrategie für BNE. Der Wille dazu ist im neuen Jamaika-Koalitionsvertrag festgeschrieben, auch hier ist natürlich die Frage, ob und wie das umgesetzt wird. Für uns ist klar: BNE muss in allen Bildungsbereichen verbindlichen Status erlangen.

Was ist schon passiert?

Passiert sind, wenn man es so formulieren will, schon viele Veranstaltungen. Was uns daran freut: Sie waren von Anfang an gut besucht, und es wurde im Lauf der Zeit sogar besser. Noch erfreulicher ist, dass einen nennenswerte Zahl von Besucherinnen und Besuchern dieser Veranstaltungen Impulse aufgenommen haben und in ihren eigenen Institutionen tätig geworden sind. Nicht vergessen werden sollte schließlich, dass es seit April dieses Jahres ein NUN-Netzwerk gibt, in dem sich die außerschulischen Orte der BNE austauschen.

Was bleibt noch zu tun?

Nötig ist mehr Beratung für die einzelnen Initiativen, und gute Beispiele vor Ort müssen noch besser sichtbar gemacht werden, weil man von ihnen viel lernen kann. BNE muss außerdem in noch mehr Bildungsplänen einen Platz haben, und es braucht Qualitätsstandards für alle Bildungsbereiche. Nötig ist außerdem ein engerer Austausch zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen.

Das sagen andere

Birgit Mills (Stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Schleswig-Holstein)

Beate Ahr (Verein Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein)

Hans Brüller (Landesverband der Volkshochschulen)

Birgit Mills (Stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Schleswig-Holstein)

Birgit Mills berichtet von den Verhältnissen in der Flensburger Grundschule, in der sie arbeitet. Die Schule liegt in einem sozialen Brennpunkt, viele Kinder haben in ihrer Schultasche Caprisonne, Kekse und andere zweifelhafte Nahrungsmittel, „alles wunderbar in Plastik verpackt“. Ein Projekt für eine erste Klasse setzt daran an und zielt auf Frühstück ohne Plastikmüll. Das bedarf einer intensiven Zusammenarbeit mit den Eltern, was ein schwieriger und langwieriger Prozess ist: „Das braucht Zeit und manchmal auch etwas Geld.“ Die zuständige Lehrerin setzt auf Elternversammlungen, Einzelgespräche und Briefe, vor allem auch auf die Kinder, die die Botschaft oft am effektivsten nach Hause transportieren. Eltern stellen unterm Strich „oftmals die größere Herausforderung“ dar. Aber sie sind eben wichtig, denn „man erreicht bei Kindern nur etwas, wenn man auch die Eltern mitnimmt“. Einfacher wäre es, wenn für solche Projekte zumindest ein kleiner Etat vorhanden wäre. Steht eine Exkursion zum Klärwerk oder auf einen Bauernhof an, müssen die Lehrkräfte gerade im sozialen Brennpunkt oftmals zeitaufwendig 20 Anträge auf Förderung übers Bildung- und Teilhabepaket ausfüllen. Das macht es zugleich schwierig, Lehrkräfte zu finden, die diese Projekte überhaupt auf sich nehmen.

Wünschenswert wären außerdem mehr Kooperationsstunden für die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen.

 

Beate Ahr (Verein Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein)

Beate Ahr setzt sich seit etwa 20 Jahren für BNE ein. Im Verein zukunftsfähiges Schleswig-Holstein ist sie seit zehn Jahren dabei. Der Verein unterstützt das Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume und organisiert auch Veranstaltungen.

Von der langfristigen Wirkung dieser Arbeit ist sie überzeugt. Zahlreiche junge Leute haben bereits ihr Freiwilliges ökologisches Jahr im Verein absolviert, ihre Erkenntnisse und Erfahrungen tragen sie später in hohem Maße ins Leben hinein: „Das ist schon erstaunlich.“

Alle zwei Jahre lobt der Verein außerdem einen Zukunftspreis für BNE-Projekte aus. Dabei zeigt sich, dass es viele erfreuliche Initiativen gibt, gerade auch in den Kindergärten und durchaus auch in solchen, die sich in sozialen Brennpunkten befinden. Dennoch ist es Realität, dass manche Familien mit dem eigenen Überleben beschäftigt sind und für eine Auseinandersetzung mit nachhaltiger Entwicklung keine Kapazitäten haben: „Da muss man den großen Rahmen sehen. Es geht auch um soziale Entwicklung und Gerechtigkeit.“

Was den möglichen Aufbau einer Agentur für BNE im Land betrifft, plädiert Beate Ahr dafür, an bestehende Strukturen anzuknüpfen und bei der Weiterentwicklung von Strukturen die Akteurinnen und Akteure in breiter Weise zu beteiligen.

 

Hans Brüller (Landesverband der Volkshochschulen)

BNE ist laut Hans Brüller für den Landesverband der Volkshochschulen ein relativ neues Thema. In den einzelnen Einrichtungen wird es „sehr unterschiedlich“ gehandhabt. Was nicht zuletzt an den uneinheitlichen Strukturen der etwa 160 Volkshochschulen im Land liegt. Viele von ihnen sind ehrenamtlich geführt, und schon deshalb ist das Thema „immer ein bisschen persönlichkeitsgebunden“. Gleichwohl sind etliche Volkshochschulen schon in Sachen BNE unterwegs, auch der Landesvorstand hat einen Beschluss, wonach BNE in allen Volkshochschulen ein Thema sein soll. Eine kleine Arbeitsgruppe untersucht derzeit, was es an BNE schon gibt, und was im VHS-Bereich noch gebraucht wird, um BNE umzusetzen.

Grundsätzlich ist BNE ein „schwieriges Thema“. Wer zur VHS geht, tut das freiwillig und will sich nichts überstülpen lassen. Ein guter Weg wäre es vielleicht, BNE in alle Angebote „querliegend“ zu integrieren. Die Nachfrage nach längerfristigen Angeboten in diesem Bereich ist jedenfalls nicht sehr hoch. „Alle reden von Umwelt- und Naturschutz, aber die Bereitschaft, sich solchen Prozessen zu stellen, ist sehr gering.“ Wahrscheinlich muss das Thema von den Kindergärten und Schulen her „nach oben durchwachsen“. Ein Problem ist für Brüller auch, dass sich BNE schlecht verkaufen lässt. Der Begriff ist aus seiner Sicht „nicht griffig, nicht sexy“.

Nachhaltige Entwicklung und die Bildung dafür sollte nach seiner Meinung ein durchgängiges Prinzip der Politik werden. Eine BNE-Agentur könnte dabei durchaus unterstützend wirken.

Diskussion

In der Diskussion ist die Bildung von Lehrkräften ein Thema. Nach Einschätzung Birgit Mills klappt es zwar gut, BNE in die Ausbildung zu integrieren, weniger gut gelingt dies in der Weiterbildung. Und zwar aus sehr praktischen Gründen: Im Flächenland Schleswig-Holstein sind die Wege zu entsprechenden Seminaren oft weit. Außerdem fehlt in den Schulen Vertretungspersonal, sodass Weiterbildung oft zugleich Stundenausfall bedeutet.

Ein weiteres Thema der Diskussion: Führt die Tatsache, dass es im Land im mehr Einrichtungen gibt, die sich BNE widmen, zu Konkurrenz? Die Anwesenden sehen das eher gelassen. „Bei solchen Themen kann und darf es keine Konkurrenz geben“, sagt Hans Brüller. Mehr Struktur hält er aber für wünschenswert. Klar definierte Leitprojekte könnten dazu beitragen, auch einige wenige BNE-Knotenpunkte in der Regionen. Beate Ahr betrachtet Konkurrenz ebenfalls nicht als Problem. Schließlich, so ihr Argument, wollen in diesem Bereich alle etwas voranbringen.

Zur Frage, wie sich BNE populärer machen lässt, gehen die Ansätze in eine ähnliche Richtung. Man muss das Thema praktisch in die Gesellschaft hineintragen und dabei den erhobenen Zeigefinger in der Tasche lassen. BNE soll deshalb nicht als eine Art Zusatzfach vermittelt werden, sondern am Vorhandenen anknüpfen. Mehrere Stimmen plädieren dafür, dass man BNE zuallererst als Bildung denken sollte. Was Mark Müller-Geers von der Uni Kiel mit diesem Satz auf den Punkt bringt: „Gute Bildung impliziert BNE.“

Andere Stellungnahmen

(eingeholt vom ZBSH)

Martin Rümmelein
(Bis Juli 2017 Landesschülersprecher der berufsbildenden Schulen)

Bildung für nachhaltige Entwicklung ist eine Sache, die ich absolut befürworte. An den beruflichen Schulen, die ich gut überblicke, passiert in dieser Hinsicht auch schon einiges. Wenn ich an eine Werft denke, die den bei der Arbeit entstehenden Metallstaub herausfiltert und wiederverwertet, dann sind das Dinge, die auch in der Schule vermittelt werden. Trotzdem wäre mehr möglich. Theoretisch zumindest. Praktisch ist es so, dass viele berufliche Schulen unter Lehrermangel leiden. Oft ist es gar nicht möglich, Lehrkräfte zur Fortbildung zu schicken, weil sonst noch mehr Unterricht ausfallen würde. Sicher müsste sich eine Agentur für Bildung zur nachhaltigen Entwicklung für mehr derartige Inhalte in den Schulen einsetzen. Aber man kann halt viel in Lehrpläne hineinschreiben, ohne dass das automatisch bedeutet, dass es auch unterrichtet wird.

Ich sehe auch außerhalb der Schulen personelle Probleme. Wenn ich mir anschaue, wie schwer wir uns mit Inklusion tun und wie wenige Leute es dafür gibt, denke ich mir, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung ein noch komplexeres Feld ist. Wie soll das dann da funktionieren? Was das ZBSH-Projekt insgesamt betrifft, sehe ich darin viele richtige Inhalte, für mich ist das aber zu stark oder besser gesagt zu einseitig aufs Thema Ökologie ausgerichtet. Man könnte auch mal mit der Wirtschaft reden. Die ist ganz wichtig, wenn er etwas erreichen wollen in Sachen Nachhaltigkeit.

Das Ziel, BNE strukturell zu verankern, sehe ich skeptisch: Ich wüsste auch nicht, ob das in der Praxis in großen Systemen auf absehbare Zeit möglich ist. Eine Anmerkung zu diesem in der Kurzfassung des Abschlussberichts enthaltenen Satz: „Für die zukünftige Bildungspolitik muss es darum gehen, Wissen in einen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhang zu stellen, zu hinterfragen, zu bewerten und mit dem eigenen täglichen Leben und persönlichem Handeln zu verbinden.“ Das hieße, dass der Unterricht mehr am Echten Leben orientieren müsste, dem stimme ich zu. Und noch eine Anmerkung zum Thema BNE-Agentur: Ich fürchte, das wird teuer.

Jasmin Azazmah
(Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein)

Wir vom Flüchtlingsrat sind der Ansicht, dass Flucht und Migration in der BNE berücksichtigt werden müssen. Klimawandel und negative Folgen von Globalisierung sind moderne Ursachen dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Damit muss die Weltgemeinschaft in gemeinsamer Verantwortung umgehen. Wenn europäische Politik weiterhin Flucht bekämpft, aber zu ihren Ursachen beiträgt, wird sich die Situation weltweit verschlimmern.

Eine wichtige Rolle spielt auch die aufnehmende Gesellschaft, die ihrerseits Migration braucht und sich entsprechend auf Zuwanderung einstellen muss. Im Projekt „Diffairenz“ im IQ Netzwerk Schleswig-Holstein bieten wir für Beschäftigte von Behörden, Unternehmen und anderen Einrichtungen Schulungen zu interkultureller Öffnung und Antidiskriminierung an. Nicht zuletzt heißt BNE auch, dass unsere Gesellschaft im Bereich der Bildung alle mitnimmt: Schulpflichtige Flüchtlinge aus dem Schulunterricht auszuschließen oder zu verhindern, dass durch Flucht unterbrochene Bildungswege hier wieder aufgenommen werden, lässt sich mit den Zielen der BNE nicht vereinbaren.

Martin Haasler
(Vorsitzender der Zertifizierungskommission Norddeutsch und Nachhaltig, Zentrum für Mission und Ökumene der Nordkirche)

Bildung für nachhaltige Entwicklung geht weiter. In den vergangenen Jahren hat ein sehr, sehr gründliches Umdenken in der Gesellschaft stattgefunden. Das Bewusstsein dafür, dass die Erde und ihre Ressourcen nicht auf Kosten kommender Generationen genutzt werden dürfen, hat stark zugenommen. Zugleich zeichnet sich ein neuer Trend ab. Ökologie und Klimaschutz werden nach seiner Wahrnehmung als Themen nicht verdrängt, zunehmend wichtig wird jedoch die soziale Dimension der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Es geht also stärker um Fragen der Gerechtigkeit, auf globaler, aber nicht nur auf globaler Ebene.

Zusammenfassung der Arbeitsforen

Arbeitsforum 1: Austausch und Entwicklungsprozess von Landesregierung und Zivilgesellschaft zu BNE

Harald Bach vom Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) gibt einen Überblick über Aufgabenfelder und die personelle Ausstattung seines Referats. Nachhaltige Entwicklung, außerschulische BNE und Entwicklungszusammenarbeit gehören in die Ressortverantwortung des MELUND.

Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass es eine BNE-Landesstrategie geben soll, die partizipativ erarbeitet werden soll.Und es gibt ein Bekenntnis zu den SDGs (UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung). Das konkrete Vorgehen bei der Umsetzung muss noch festgelegt werden. Voraussichtlich wird mit der Entwicklung der Landesstrategie 2019 begonnen. Sie soll in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden. Vorarbeiten sind möglich. Der Beteiligung der Zivilgesellschaft kommt große Bedeutung zu.

Resumee der Diskussion:

  • Ein eigenständiger Diskussionsprozess der Zivilgesellschaft zur BNE-Strategie sollte dem Prozess der Landesregierung vorgeschaltet werden.
  • Es soll eine Veranstaltung geben, zu der auch die Landesregierung eingeladen wird, die klärt, welche Inhalte (von Seiten der Zivilgesellschaft) in die BNE-Strategie eingebracht werden sollten.
  • Vor der Veranstaltung sollte eine Bestandsaufnahme erfolgen, wer schon aktiv ist und wer überhaupt dabei sein soll.
  • Bildungsinitiativen und thematische Initiativen sollten zusammengeführt werden, um aus den Themen Bildungsprozesse zu generieren.
  • Zur besseren Verständigung müssen nachhaltige Entwicklung und Bildung für nachhaltige Entwicklung klar differenziert und definiert werden. Aber beide müssen auch zusammengedacht werden.

Arbeitsforum 2: Möglichkeiten und Wege zum Aufbau einer „BNE-Agentur“ für Schleswig- Holstein [NRW als Beispiel]

Resumee der Diskussion:

Aufgaben einer Agentur könnten sein: Begleitung von Organisationsprozessen, Coaching, Förderprogramme.
Sie könnte auch die Funktion einer Servicestelle haben, die als „Knotenpunkt“ arbeitet und z.B. Fragen nach dem richtigen Ansprechpartner löst. Die Arbeitsfelder können aufgeteilt sein (verschiedene Organisationen an verschiedenen Orten), aber ein Knotenpunkt kann auf die jeweils richtige Stelle verweisen. Auch sollten Informationen gesammelt und verfügbar gemacht werden.

Ein weiteres Aufgabenfeld kann sein, Lobbyarbeit für BNE zu leisten, BNE zu vermarkten und in der Gesellschaft zu verankern helfen.

Die Vermittlung von Projekten der Nachhaltigkeit an Unternehmen und der Support für Unternehmen könnten Einnahmquellen für eine Agentur sein, die eher wirtschaftlich ausgerichtet wäre.

Wichtig bei der Planung und Umsetzung ist, dass eine Agentur langfristig angelegt und abgesichert ist, ggf. an Institutionen angedockt wird. Eine projektmäßige Umsetzung wird als ungeeignet eingestuft. Auch sollte zunächst geprüft werden, was bereits geleistet wird, um Doppelstrukturen zu vermeiden.

Eine Orientierung für die Planung und Umsetzung kann z.B. der BNE-Prozess in NRW sein.

In Schleswig-Holstein sind bereits Strukturen vorhanden, die zu einer Agentur beitragen könnten. Die Frage steht im Raum, wer die Idee konkret macht. Ein mögliches Vorgehen wäre, ein erstes Grobkonzept unter Einbindung der BNE-Akteure zu erstellen, das Grundlage für Verhandlungen mit der Politik sein kann. Einig sind sich die Diskutant*innen, dass die Agentur für alle Bildungsbereiche da sein soll.

Die Agentur müsste von den drei Ministerien, die bereits in der NUN (Initiative Norddeutsch und Nachhaltig) mitwirken, initiiert werden.

Arbeitsforum 3: Konstituierung eines BNE-Qualitätszirkels (aus Wissenschaft und Praxis)

Ziel von Qualitätszirkeln wäre es, Wissenschaftler*innen eine gemeinsame Klammer für die eine qualitative Entwicklung ihrer Forschungsmöglichkeiten zu BNE in Aussicht stellen. Gleichzeitig würden BNE-Akteur*innen durch die Verbesserung ihrer praktischen Arbeit profitieren.

Leitfragen:

  • Gibt es in den Hochschulen Interesse an der Mitarbeit in einem BNE-Qualitätszirkel?
  • Können Multiplikator*innen gefunden werden, die weitere Wissenschaftler aus ihrem Umfeld in die Arbeit einbeziehen, so dass der Kreis im Laufe der Zeit größer würde?
  • Gibt es BNE-Akteure, die Ihre Projekte zu Forschungszwecken zur Verfügung stellen würden?

Resumee der Diskussion:

Durch wissenschaftlich unterstützte Evaluation der BNE-Arbeit könnte deren qualitative Weiterentwicklung gefördert werden. Auch die Auswirkungen der BNE-Arbeit ließe sich besser greifbar zu machen. Dabei wäre die Arbeit auf Augenhöhe wichtig. Nicht nur die Wissenschaft sollte die Fragen generieren, zu denen geforscht wird, sondern mindestens in gleichem Ausmaß die Praxis-Akteur*innen. Deshalb wäre zu klären, welches Interesse einerseits die Wissenschaft und andererseits die BNE-Akteure an einer solchen Zusammenarbeit haben könnten. Nur wenn für beide Seiten ein Gewinn aus dieser Arbeit zu ziehen ist, wird sie sich etablieren lassen.

Studierende von Nachhaltigkeitsstudiengängen könnten interessiert sein an der Mitarbeit in einem BNE-Qualitätszirkel. Fragestellungen und Themen aus deren Bachelor- und Masterarbeiten könnten in diesem Zirkel diskutiert werden.

Die Ergebnisse aus den Qualitätszirkel sollte möglichst vielen Menschen, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Erfahrungen an Hochschulen mit der Zusammenarbeit von pädagogische Fachkräfte aus der Praxis und Hochschullehrenden können in die Entwicklung von BNE-Qualitätszirkeln einbezogen werden.