Birgit Mills (Stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Schleswig-Holstein)
Birgit Mills berichtet von den Verhältnissen in der Flensburger Grundschule, in der sie arbeitet. Die Schule liegt in einem sozialen Brennpunkt, viele Kinder haben in ihrer Schultasche Caprisonne, Kekse und andere zweifelhafte Nahrungsmittel, „alles wunderbar in Plastik verpackt“. Ein Projekt für eine erste Klasse setzt daran an und zielt auf Frühstück ohne Plastikmüll. Das bedarf einer intensiven Zusammenarbeit mit den Eltern, was ein schwieriger und langwieriger Prozess ist: „Das braucht Zeit und manchmal auch etwas Geld.“ Die zuständige Lehrerin setzt auf Elternversammlungen, Einzelgespräche und Briefe, vor allem auch auf die Kinder, die die Botschaft oft am effektivsten nach Hause transportieren. Eltern stellen unterm Strich „oftmals die größere Herausforderung“ dar. Aber sie sind eben wichtig, denn „man erreicht bei Kindern nur etwas, wenn man auch die Eltern mitnimmt“. Einfacher wäre es, wenn für solche Projekte zumindest ein kleiner Etat vorhanden wäre. Steht eine Exkursion zum Klärwerk oder auf einen Bauernhof an, müssen die Lehrkräfte gerade im sozialen Brennpunkt oftmals zeitaufwendig 20 Anträge auf Förderung übers Bildung- und Teilhabepaket ausfüllen. Das macht es zugleich schwierig, Lehrkräfte zu finden, die diese Projekte überhaupt auf sich nehmen.
Wünschenswert wären außerdem mehr Kooperationsstunden für die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen.
Beate Ahr (Verein Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein)
Beate Ahr setzt sich seit etwa 20 Jahren für BNE ein. Im Verein zukunftsfähiges Schleswig-Holstein ist sie seit zehn Jahren dabei. Der Verein unterstützt das Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume und organisiert auch Veranstaltungen.
Von der langfristigen Wirkung dieser Arbeit ist sie überzeugt. Zahlreiche junge Leute haben bereits ihr Freiwilliges ökologisches Jahr im Verein absolviert, ihre Erkenntnisse und Erfahrungen tragen sie später in hohem Maße ins Leben hinein: „Das ist schon erstaunlich.“
Alle zwei Jahre lobt der Verein außerdem einen Zukunftspreis für BNE-Projekte aus. Dabei zeigt sich, dass es viele erfreuliche Initiativen gibt, gerade auch in den Kindergärten und durchaus auch in solchen, die sich in sozialen Brennpunkten befinden. Dennoch ist es Realität, dass manche Familien mit dem eigenen Überleben beschäftigt sind und für eine Auseinandersetzung mit nachhaltiger Entwicklung keine Kapazitäten haben: „Da muss man den großen Rahmen sehen. Es geht auch um soziale Entwicklung und Gerechtigkeit.“
Was den möglichen Aufbau einer Agentur für BNE im Land betrifft, plädiert Beate Ahr dafür, an bestehende Strukturen anzuknüpfen und bei der Weiterentwicklung von Strukturen die Akteurinnen und Akteure in breiter Weise zu beteiligen.
Hans Brüller (Landesverband der Volkshochschulen)
BNE ist laut Hans Brüller für den Landesverband der Volkshochschulen ein relativ neues Thema. In den einzelnen Einrichtungen wird es „sehr unterschiedlich“ gehandhabt. Was nicht zuletzt an den uneinheitlichen Strukturen der etwa 160 Volkshochschulen im Land liegt. Viele von ihnen sind ehrenamtlich geführt, und schon deshalb ist das Thema „immer ein bisschen persönlichkeitsgebunden“. Gleichwohl sind etliche Volkshochschulen schon in Sachen BNE unterwegs, auch der Landesvorstand hat einen Beschluss, wonach BNE in allen Volkshochschulen ein Thema sein soll. Eine kleine Arbeitsgruppe untersucht derzeit, was es an BNE schon gibt, und was im VHS-Bereich noch gebraucht wird, um BNE umzusetzen.
Grundsätzlich ist BNE ein „schwieriges Thema“. Wer zur VHS geht, tut das freiwillig und will sich nichts überstülpen lassen. Ein guter Weg wäre es vielleicht, BNE in alle Angebote „querliegend“ zu integrieren. Die Nachfrage nach längerfristigen Angeboten in diesem Bereich ist jedenfalls nicht sehr hoch. „Alle reden von Umwelt- und Naturschutz, aber die Bereitschaft, sich solchen Prozessen zu stellen, ist sehr gering.“ Wahrscheinlich muss das Thema von den Kindergärten und Schulen her „nach oben durchwachsen“. Ein Problem ist für Brüller auch, dass sich BNE schlecht verkaufen lässt. Der Begriff ist aus seiner Sicht „nicht griffig, nicht sexy“.
Nachhaltige Entwicklung und die Bildung dafür sollte nach seiner Meinung ein durchgängiges Prinzip der Politik werden. Eine BNE-Agentur könnte dabei durchaus unterstützend wirken.